Italien, Agro Pontino - Mein Urlaub [von Karin]

Urlaub in ItalienWenn klar ist, wann man Urlaub machen kann, ist im Zweifel noch nicht klar, wohin dieser Urlaub gehen soll. Zumindest ist dies oft genug bei uns der Fall. Soll es einmal ein Urlaub zu Hause sein oder wenigstens innerhalb Deutschlands oder doch wieder etwas im Ausland? Irgendwohin, wo wir noch nicht waren oder mal einen Ort wieder besuchen, der uns früher schon so beeindruckt hat? Die Qual der Wahl ist groß und macht die Entscheidung nicht immer einfach. So verwundert es auch nicht, dass wir oft genug auf Lastminute unsere Reisen buchen, weil wir uns erst kurz vor knapp entscheiden. So war es auch bei unserem letzten Urlaub, der uns schließlich nach Italien führte.



Das Land selber kannten wir bereits aus mehreren Besuchen in den letzten zwanzig Jahren, doch waren wir selten an einem Ort zwei Mal. Die ersten Male haben wir eher den Norden erkundet – Südtirol, Venetien und die Toskana – danach aber sind wir in den Süden gegangen und haben – nach einem Wochenendtrip nach Rom – in Apulien und auf Sizilien Urlaub gemacht. Meist dauerten die Reisen nur eine Woche, längstens zehn Tage, diesmal aber hatten wir für 14 Tage gebucht: das Lazio.
Das Lazio selber ist bei den meisten Deutschen eher unbekannt. Man kennt zwar Rom und weiß eventuell auch noch etwas über Terracina, aber dann ist die Region für die meisten Menschen auch schon wieder ein Niemandsland. Wir aber konnten feststellen, dass dies so ganz und gar nicht auf das Gebiet zutrifft. Auf Grund der Empfehlung einer Freundin suchten wir ein Lastminute-Angebot aus dem Agro Pontino – welches etwa 80 Kilometer südlich von Rom liegt – und hatten Glück ein kleines Häuschen in Sabaudia zu finden, wo vorher eingeplante Gäste absagen mussten. Ansonsten ist Lastminute in dieser Gegend eher schwieriger, da das Agro Pontino schlichtweg das Naherholungs- und Urlaubsgebiet der Römer ist. Und dies zu Recht, meiner Meinung nach.

Bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die ehemaligen pontinischen Sümpfe – bis auf ein kleines Gebiet, in dem sich heute noch der einzige Urwald Europas befindet, der Circeo Nationalpark – unter Befehl des Diktators Benito Mussolini trocken gelegt, um hier ein neues Siedlungsgebiet zu erschließen und – viel wichtiger noch – ein Erholungsgebiet für die Großstädter aus Rom. Sabaudia ist eine dieser neu errichteten Städte und auch heute noch berühmt für den italienischen Rationalismus dieser Zeit, besonders, weil die Stadt seit ihrer Errichtung in ihrem Kern beinahe unverändert geblieben ist. Sie verfügt über 19.000 Einwohner, einige sehr gute Einkaufsmöglichkeiten und vor allen Dingen einigen direkten Zugängen zu einem der schönsten Strände ganz Italiens. Der Lido di Sabaudia ist einer der wenigen Dünenstrände des Landes, direkt am Tyrrhenischen Meer gelegen. Dieser läuft geradewegs auf den Monte Circeo zu, welcher als der berühmte Circe-Felsen aus der Odysseus-Saga gilt und sowohl zu Fuß als auch mit einem Fahrzeug bestiegen werden kann. Von hier aus hat mein – bei guter Sicht – einen herrlichen Ausblick bis zu den Pontinischen Inseln im Westen, im Norden bis Anzio Nettuno, im Osten über die ehemalige Sumpfebene hinweg bis zum Appenin und im Süden bis Terracina und manchmal auch noch ein Stück weiter. Leider ist der Berg nicht bis zum höchsten Punkt zu besteigen oder zu befahren, da hier ein militärisches Gelände liegt. Deshalb ist auch das Gipfelkreuz etwas tiefer, oberhalb der Altstadt von San Felice Circeo aufgestellt. Doch trotz dieses kleinen, vernachlässigbaren Mankos, hat es uns mehr als einmal auf den Berg getrieben, denn nicht nur die Fahrt darauf – wir hatten uns für die Fahrten vor Ort ein Motorino, also eine Vespa geliehen – bereiten ein besonderes Vergnügen, sondern auch die Klettertouren auf dem Berg – für die man zwar festes Schuhwerk, aber kein besonders ausgeprägtes Können benötigt – auf der Suche nach noch schöneren Ausblicken als man sie so schon gefunden hat.

Sabaudia verfügt neben einem wunderschönen Strand auch noch über den Lago di Paola. Hier kommen sogar die deutschen Ruderer im Frühjahr her um auf diesem lang gezogenen See alljährlich ihr Training zu absolvieren. Boote kann man sich hier zwar nur wenige leihen, aber durch ein paar Kontakt über meine Freundin in Deutschland erhielten wir die Gelegenheit der italienischen Weltmeistermannschaft im Drachenbootrennen nicht nur beim Training zuzuschauen, sondern auch tatkräftig daran teilzunehmen. Für einen ungeübten Ruderer wie mich – trotz allem Spaß – eine Tortur und ich war froh, dass wir am nächsten Tag nur am Strand relaxen wollten.

Sowieso sollte dieser Urlaub vor Allem der Entspannung dienen. Mehrere Tage waren für Strand, Stadtbummel, Spaziergänge durch den Nationalpark und kleinere Touren ins Hinterland vorgesehen. Die Mittagszeit sollte man hier allerdings nicht am Wasser verbringen, denn die Temperaturen im Hochsommer betragen leicht um die 40° im Schatten und auch im Landesinneren ist es dann durch die hohe Luftfeuchtigkeit besser man macht es wie die Italiener: Siesta. Wenn man allerdings wie wir mit dem Motorino unterwegs ist, kann man die Zeit auch wunderbar nutzen um die einzelnen Ziele anzusteuern. So haben wir einige Tage damit verbracht neben Sabaudia auch Städte wie Pontina, Latina, San Felice und natürlich auch Terracina zu erkunden. Diese Stadt verfügt über einige wunderbare etruskische Ruinen oberhalb des Hafens. Hier steht auch der römische Tempio di Giove, ein Jupitertempel, den man nicht nur erkunden kann, sondern von dem aus man auch einen herrlichen Blick in die Berge und die Küstenlinien entlang hat. Auch Anzio Nettuno stand auf unserem Motorino-Programm. Hier sind im zweiten Weltkrieg die Alliierten gelandet, während es heute einfach ein sehr beliebtes Ausflugsziel ist. Wie auch der nahe gelegene Garten von Ninfa – ein aus dem 13. Jahrhundert stammendes verfallenes Dorf, welches heute mit den dazugehörigen Ländereien im Laufe der Jahrhunderte zu einem wunderschönen – und wohl mit berühmtesten – Garten, ja eher schon Park, Italiens ausgebaut wurde.

Allerdings wollten wir unseren Urlaub auch dazu nutzen einige der schönsten Sehenswürdigkeiten Italiens zu besichtigen. Da diese jedoch mit dem Motorino nicht so leicht zu erreichen waren, beschlossen wir Rom und Neapel per Zug zu besuchen. Von Sabaudia aus fährt ein Bus nach Priverno Fossanova, wo der Zug Rom – Neapel stündlich hält. So machten wir uns an zwei Tagen auf zunächst die herrliche Hauptstadt Italiens Rom ein weiteres Mal zu erkunden, bemühten uns aber diesmal Orte aufzusuchen, die wir noch nicht kannten. Also statt dem Kolosseum nach Trastevere, statt der Vatikanstadt zur Villa Borghese und statt dem Piazza Navona oder der Spanischen Treppe zur Villa Arda. Rom ist und bleibt wohl eine meiner favorisiertesten Städte. Groß, ein wenig chaotisch, manches Mal fast hektisch, aber dabei doch so elegant, voller Flair, Historie und vor Allem erstaunlich gelassenen Römern, dass man einfach von dem Charme der Stadt mitgerissen wird und – zumindest in meinem Fall – fast überlegt sich hier eines Tages niederzulassen. Neapel hingegen ist zwar von der Innenstadt her beeindruckend gewesen, aber mit Rom dennoch nicht zu vergleichen. Trotzdem hatten wir unseren Spaß und sind sogar spontan bei der Hafenbesichtigung auf ein Traghetto gestiegen, dass uns nach Procida brachte, eine kleine Insel im Golf von Neapel, vor dem Cap von Miseno gelegen. Diese Insel ist weniger mondän als ihre großen Schwestern Ischia und Capri und doch hat sie einen ganz besonderen Eindruck auf uns hinterlassen, der sicher dafür sorgen wird, dass wir eines Tages auch für länger hierhin reisen werden.

Der größte Ausflug bestand uns aber noch bevor und dafür benötigten wir ein Auto und für eine Nacht eine Unterkunft außerhalb Sabaudias. Schon früh am Morgen fuhren wir mit dem Wagen in Richtung Süden, bewusst nicht auf der A1, welche man in den Bergen in Frosinone erreichen kann, sondern die Küste entlang: vorbei an Terracina, Gaeta und Sperlonga in Richtung Neapel. Dies ließen wir allerdings rechts liegen und entlang des Vesuvs ging es weiter nach Pompeji. Diese alte, vom Vulkan einst vernichtete Stadt, ist zutiefst beeindruckend. Bereits seit langem sind die Archäologen dabei die verschütteten Gebäude und Leichen freizulegen und die Schönheit der Häuser, mit ihren Brunnen, Thermen, Mosaiken und Konstrukten wieder auferstehen zu lassen. Die Besichtigung dauerte einige Stunden und trotz der Hitze war es in den Ruinen erstaunlich angenehm. Am späten Nachmittag fuhren wir weiter in Richtung Amalfiküste, wo wir in Positano eine – auf Grund unserer Lastminute-Entscheidung leider recht teure aber tolle – Unterkunft hatten. Die Amalfiküste ist eine der schönsten Steilküsten der Welt und eigentlich sollte man sich für einen Besuch hier länger Zeit nehmen, aber wir hatten nur den kommenden Tag, den wir damit zubrachten ein paar Stunden die steilen Wege entlang zu wandern, die in einige kleine Ortschaften oberhalb des Meeres führen und die gesamte Küste mit dem Auto auf der schmalen Küstenstraße – wo man schon sehr vorsichtig sein muss, wenn einem ein Bus entgegen kommt – zu erkunden.

Der gesamte Urlaub war eine wunderschöne Mischung aus Erholung, Strand und Kultur und obwohl wir viel gesehen und erlebt haben, hat der Gemüsegarten Europas – wie das Agro Pontino auch genannt wird – doch noch so viel mehr für uns zu bieten, dass wir beschlossen haben, in spätestens zwei Jahren noch einmal hierher zu reisen. Dann jedoch nicht Lastminute und mit eigenem Auto – ohne vielleicht auf die Motorinos vor Ort zu verzichten.