Ungarn - Kleiner Urlaubsbericht über Szentendre [von Ursula]

Urlaub in UngarnEinmal in jedem Jahr gönnen sich meine Freundin Jutta und ich eine "Mädelswoche". Wir lassen unsere Lieben daheim, setzen uns ins Auto und fahren für eine Woche in den Urlaub. Über das Ziel einigen wir uns immer kurz vor der Abfahrt. Letzten Sommer führte uns die Reise nach Ungarn. Den Balaton oder auch Plattensee kannten wir schon, dort war es zwar superbillig gewesen, aber auch sehr voll. Die schöne ungarische Landschaft, die gastfreundlichen Menschen, das leckere Essen und nicht zuletzt die günstigen Preise hatten uns jedoch überzeugt. Und so beschlossen wir, unseren Urlaub diesmal in Szentendre an einem Seitenarm der Donau zu verbringen. Ein Bekannter von uns, der Künstler ist und sich dort immer mit Kollegen zu Sommerkursen trifft, hatte uns von dem malerischen Städtchen mit seinen verwinkelten Gassen, zahllosen Kirchlein und farbig angestrichenen Häusern erzählt. Da wollten wir hin, auch wegen der vielen tolle Fotomotive. Jutta und ich sind Hobbyfotografinnen und knipsen Alles, was uns vor die Linse kommt. Verbinden wollten wir den Aufenthalt mit einem Abstecher nach Budapest, das ja nur 20 km von Szentendre entfernt ist.

Wir machten uns also auf den Weg und freuten uns auf eine erlebnisreiche Reise. Ganz um die Ecke ist Szentendre ja nicht, aber wir konnten uns während der Fahrt abwechseln und hofften, innerhalb von zwei Tagen am Ziel anzukommen. Bevor wir Ungarn erreichten, mussten wir erst noch durch die flache und ziemlich langweilige Landschaft des österreichische Burgenlandes fahren, ließen Wien links liegen und hielten dann auf die Staatsgrenze bei Nickelsdorf am Neusiedler See zu. Geschlafen haben wir immer abwechselnd im Auto, während die andere fuhr. So sind wir tatsächlich in einem Rutsch nach Ungarn gekommen, und eine Panne hatten wir zum Glück auch nicht.

Hinter der Grenze haben wir erst einmal Rast gemacht und bekamen gleich einen Eindruck von der guten ungarischen Küche: Wir bestellten Kesselgulasch, das stilecht in einem kleinen Metallkessel seviert wurde, mit viel Paprika und Zwiebeln zubereitet war und nur mit Brot gereicht wurde. Das Rindfleisch war köstlich zart und dabei so scharf, dass uns die Tränen kamen. Wir waren uns beide einig: So ein herrliches Gulasch hatten wir noch nie gegegessen, und das in einer einfachen Touristen-Gaststätte. Mit dem "Ungarischen Gulasch", das in deutschen Raststätten serviert wird, hatte diese Köstlichkeit nichts zu tun. Später erzählte uns eine Ungarin, dass jede Familie ihr eigenes Hausrezept für Gulasch hat, das wie ein Heiligtum gehütet wird. Wieder was gelernt.

Endlich kamen wir in Szentendre an. Das Städtchen war so pittoresk, wie es uns der Bekannte geschildert hatte. Über Jahrhunderte waren hier ganze Völkerscharen durchgezogen und hinterließen ihre kulturellen Spuren. Auch serbische, donauschwäbische, südungarische, griechische, rumänische und andere Flüchlinge hatten in den Wirren der vergangenen Jahrhunderte in dem weltoffenen Städtchen Aufnahme gefunden und ihre Kulturen und Kirchen gleich mitgebracht. So zieren heute sieben Gotteshäuser verchiedener christlicher Glaubensgemeinschaften die kleine Stadt am Donauknie, dazu prächtige Bürgerhäuser aus verschiedenen Jahrhunderten. Szentendre ist ein einziges beeindruckendes Freiluftmuseum. Das dachten sich wohl auch die ungarischen Maler und Bildhauer, die im 19 Jahrhundert Szentendre für sich entdeckten, dem lauten Budapest den Rücken kehrten und hier eine Künstlerkolonie gründeten. Zahlreiche kleine Museen erinnern an ihr Schaffen, bis heute leben Künstler in den teils windschiefen Häusern und stellen ihre Werke zum Verkauf aus. Für meine Mutter habe ich in einer kleinen Galerie ein sehr schönes Landschaftsaquarell mit blühenden Aprikosenbäumen erstanden, der prägende Baum dieser obstreichen Gegend.

Die Lage an der Donau war schon einmalig, störend waren nur die Motorradfahrer, die die Uferpromenade für Kunstübungen nutzten und einen Höllenlärm veranstalteten. Die Szentendrer schien es aber nicht zu stören und die örtliche Polizei auch nicht. Meine Freundin meinte, ich solle mal nach Neapel oder Rom fahren und dort den Krach der vielen Vespas erleben. Da sei das hier in Szentendre noch harmlos. Vermutlich hatte sie recht. Nachdem wir unsere Sachen in der einfachen Ferienpension mit einem wunderschönen wilden Garten und einem lieben ungarischen Hirtenhund untergebracht hatten, ließen wir das Auto erst einmal stehen. Das Örtchen ist viel zu verwinkelt und die Straßen mit derart holperigem Kopfsteinpflaster bedeckt, dass Autofahren dort nicht nur sinnlos, sondern auch verkehrsgefährdend und umweltschädlich wird. Die meisten Touristen machten es so wie wir, viele waren auch mit Reisebussen gekommen oder mit dem Fahrrad: Szentendre ist beliebte Station bei Radwanderern, die die Donau entlang radeln und Ungarn erkunden wollen. Auch hier ist Vorsicht vor den verkehrsgefährdend rasenden Motorradfahrern geboten.

Zugegeben, Szentendre ist ein Touristenort und inszeniert sich selber ein bisschen zu kitschig-ungarisch. Jeder Hinterhof wurde zu einem Mini-Museum, wie ein Piratenmuseum und ein Marzipanmuseum, umfunktioniert, jedes Gericht in einem der größeren Restaurants rund um den Hauptmarkt mit dem alten Pestkreuz aus dem 17. Jahrhundert wird von Puszta-Gefiedel kostümierter Geiger begleitet. Kein Laden, der nicht mit Salami-, Knoblauch- und Paprikaketten dekoriert wäre. Ich hatte dann noch ein Schreckerlebnis mit einem Pferd, das böse hätte ausgehen können: Gerade wollte ich an einer Kurve mitten auf einer Gasse eines der bunt gestrichenen Häuser fotografieren und achtete nicht auf die Straße. Da kam ein Kutscher - natürlich in ungarischer Tracht - mit Pferd und Wagen in einem derartigen Affenzahn um die Ecke gerumpelt, dass ich einen Riesensprung zur Seite machen musste und die Kamera fallen ließ. Zum Glück ist nichts passiert, das Pferd hat gewiehert und der Kutscher laut auf Ungarisch geflucht. Andere Touristen hörten wir auch über den wohl als Verkehrsrowdy bekannten Fiaker schimpfen. Den Urlaub ließen wir uns dadurch nicht vermiesen.

Szentendre, so schön es ist, war ein bisschen zu überfüllt. Wir waren allerdings im Hochsommer dort, wenn die engen Gassen der kleinen Stadt unter den Besuchermassen ächzen: Nicht nur Touristen, auch Tagesausflügler aus Budapest und dem nahen Österreich machen sich dann auf die Reise und bevölkern vor allem an Wochenenden den Ort. Je höher man in die Hügel hinauf steigt, umso weniger werden die Touristen, und im Winter, so erfuhren wir, haben Künstler und Kirchen Szentendre wieder ganz für sich. Nach ein paar Tagen verabschiedeten wir uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge und machten uns auf den Weg nach Budapest. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ursula