Siebenbürgen - Mein Urlaub [von Mario]

Urlaub in SiebenbürgenEs ist zwar nicht gerade zeitsparend, aber eine Erfahrung ist es allemal: Ich wählte den Zug, um nach Rumänien zu fahren. Von Berlin aus rollt man zunächst durch das abendliche Brandenburg und Sachsen, an der Elbe entlang, in Prag nahm ich den Express nach Budapest. Von dort den Zug nach Sighisoara, Transsilvanien. Eine wirklich entspannte Reise ist das nicht, aber wenn man nach Rumänien fährt, ist ein langsames Ankommen etwas ganze Besonderes. Mehrere Sprachen, verschiedene Menschen, die Veränderung der Bahnhöfe, der Geräusche. An der ungarisch-rumänischen Grenze in Curtici endet das Schengen-Gebiet und plötzlich sieht die Welt anders aus. Ich war, wie jedesmal, wenn ich diese Grenze überfahre, schockiert von der Armut und gleichzeitig von dem Malerischen der Landschaft, der wilden Flußauen, der kleinen Dörfer, die aussehen wie im Märchen. Und im Sommer lässt einen auch die zunehmende Hitze, das Flirren über den riesigen Sonneblumen- und Maisfeldern in eine andere Welt eintauchen.

Verschwitzt und müde kam ich gegen Abend am Bahnhof von Sighisoara an. Zu deutsch: Schäßburg. Hier war es kühler, Sighisoara liegt am Fuß der Karpaten und ist umgeben von Wald. Diese mittelalterliche Stadt wirkt wie eine Filmkulisse. Ich hatte mir über Bekannte eine Privatunterkunft besorgt, allerdings ist es hier keine Schwierigkeit eine Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen. Am Bahnhof stehen viele, oft ältere Einheimische mit Schildern, häufig Siebenbürger Sachsen, die deutsch sprechen und die Zimmer ihrer schönen alten Häuser an Touristen vermieten, weil die Hälfte ihrer Familie ausgewandert ist. Und die Bewirtung lässt meistens nichts zu wünschen übrig!

Wer Glück hat, wohnt wie ich, direkt auf dem alten Burghügel. Der malerische Stadtkern ist inzwischen dank europäischer und deutscher Initiativen ziemlich gut restauriert. Die alte Kirchenburg - eins dieser typischen Bollwerke gegen die Angriffe der Türken und Tataren - ist imposant, der alte Uhrturm, allein schon der Ausblick über die Altstadt, ein ziemlich gutes italienisches Restaurant und die enge Treppe zur Kirche reizen zum Schlendern. Besonders eindrucksvoll fand ich auch immer den deutschen Friedhof unterhalb der Burgmauer, ein seltsames Gefühl, hier auf all die deutschen Namen zu treffen, auf die "eigene" Geschichte sozusagen. Wer Glück hat, erwischt auch eins der Kulturfestivals der Stadt, ich selbst hatte andere Pläne - ich wollte in kurzen Ausflügen die Umgegend erkunden.

Mit dem Zug fuhr ich zunächst weiter hinauf in die Karpaten nach Sinaia. Die Fahrt dauert ungefähr eine Stunde und ist wirklich malerisch, Berge, Wälder, alte Kurorte mit Jahrhundertwendevillen - natürlich auch modernen Hotelanlagen, im Winter ist diese Gegend das Skigebiet der Bukarester. Sinaia ist einer der größten alten Kurorte. Mich lockte die Hotelarchitektur und dann natürlich die Berge. Ich stieg auf einer Skipiste, die jetzt im Sommer mit einer wahren, fremdartigen Blumenpracht bewachsen war, Richtung Gipfel. Die Natur in Rumänien ist deutlich intakter als die heimische. Und Sinaia ist noch einer der überlaufenen Orte. Wer sich tiefer ins Fogarasch-Gebirge oder ins Retezat in Westrumänien vorwagt, stößt auf wirklich überwältigende Naturschönheit. In 1000 Meter Höhe fand ich ein kleines Restaurant, hier aß ich meine ersten Mici - kleine Hackröllchen, die gegrillt und mit Senf auf kleinen Pappedeckeln serviert werden, ein Muß!

An einem der nächsten Tage fuhr ich von Sighisoara aus mit dem Bus nach Târgu Mures, zu deutsch Neumarkt am Mieresch, auf ungarisch Marosvásárhely. Nicht nur Deutsche siedeln hier, im buchstäblichen Vielvölkerstaat Rumänien gibt es auch sehr viele Ungarn, Szekler. Erst 1990 gab es eine blutige Auseinandersetzung zwischen den Ungarn und Rumänen, das Verhältnis ist aufgrund der Geschichte bis heute gespannt. Târgu Mures bietet als Stadt vor allem die Jugendstilperle des Kulturpalastes. Außen ist er mit bunten Majolika-Platten versehen, weil ich so neugierig davor stand, kam sofort ein Herr auf mich zu, um mir das Innere des Gebäudes zu zeigen. Er führte mich auf die Empore eines Saales, in dem gerade die Philharmonie probte, dann in den riesigen Spiegelsaal. Seltsam, nach so einer Pracht wieder in die Stadt zu kommen, mit ihren teilweise eben doch typisch heruntergekommenen Straßen und Gebäuden.

Schließlich packte ich in Sighisoara meine sieben Sachen und machte mich auf zu meinem letzten Ausflug. Das Ziel meiner Reise lag nur eine Zug- und eine Pferdekarrenstunde entfernt. Vom Bahnhof Rupea aus gelangte ich mit dem Bus ins Zentrum der kleinen sächsischen Stadt, die ebenfalls eine Kirchburg hat, dann wanderte ich auf der Landstraße Richtung Dacia und wurde von einem Pferdekarren bis zu meinem Zielort Viscri, zu deutsch Deutsch-Weißkirch mitgenommen. In Viscri gibt es eine sehr öffentlichkeitswillige Bürgermeistern und obwohl es sich wirklich um ein winziges Dorf handelt, hat sie es geschafft, dass sogar Prinz Charles hier ein Haus gekauft und ein Auge auf ihren Ort hat. Viele Bauern, auch hier gibt es noch einige Deutsche, haben inzwischen Gästezimmer eingerichtet. Ich quartierte mich beim Postboten ein. Ein riesiges Federbett, ein Zimmer mit alten sächsischen Holzmöbeln, Truhen, gekalkten Wänden, aus dem Fenster der Blick auf die Dorfstraße, in deren Gräben die Gänse grasten und alte Frauen im Schatten der Birnbäume strickten. Und vor allem: Ruhe. Natürlich wurde mir auch die Speisekammer mit den selbst gemachten Würsten und dem riesigen Schinken gezeigt, von der Speckseite wurde mir gleich eine Scheibe geschnitten, die ich mit einem Glas Tuica, Pflaumenschnaps zur Begrüßung genießen musste. Klar, dass ich mich auch für Daheim mit Tuica und zwei Flaschen selbstgekeltertem, sauren Wein bevorratete. Abends hörte ich sanftes Glockenläuten, die Kühe kamen von der Weide nach Hause. Bald gab es frische Milch und gegen acht die allabendliche Daily Soap im Fernsehen. Ich blieb drei Tage lang in Viscri, besah mir die hier besonders malerische Kirchenburg, besuchte den deutschen Gottesdienst am Sonntag, wieder überkam mich ein seltsames Gefühl, als ich die deutschen Lieder hörte, hier mitten in Transsilvanien. Zu manchen Feiertagen tragen die hier verbliebenen Sachsen sogar noch ihre Trachten. Lange Wanderungen über die Hügel, auf denen nur Disteln, Pferde, Schafe zu sehen waren, von Clematis überwachsene Wälder und dann auf den Anhöhen konnte ich in der klaren Luft den blauen Gebirgszug des Fogarasch erkennen. Schließlich machte ich mich auf, ließ mich zurück nach Sighisoara fahren, von wo ich den Zug nach Budapest nahm, von dort gönnte ich mir allerdings einen Billigfug nach Berlin.